Thursday, February 23, 2006

Homunkulus, der Sanfte - Ein Trauerspiel


im vorgerücktem Stadium der Selbstauflösung seines Wesens entschloss sich der müde Homunkulus, ungewogen Alters, dem Schicksale zu trotzen, jeden Gedanken der Gedankenlosigkeit seiner Natur zu verwerfen und das Leben um neuen Sinn, nun ja, Bewegung zu beschenken.

So entwand er sich, im frühsten Morgengrauen, dem wärmenden Panzer seines Bettenstaates, neigte sein Haupte den vier Himmelsrichtungen, zählte drei Kniebeugen, wärmte Badewasser und trat wenige Augenblicke in Verwandlung auf den, von Akazien gesäumten, Bürgersteige.

Homunkulus klopfte auf seine Melone und nichts geschah, weshalb er sich nicht lange besah und fröhlichen Gemüts die ersten Schritte in neu erwachter Leidenschaft beschloss ...

Homunkulus und der prächtige Apfelgarten

Seine bedächtig beschlagenen Schuhsohlen hatten erst wenig ihrer Form gebüßt, als Homunkulus an einem prachtvollem Anwesen, das in tragender Apfelbaumherde weidete, der Atem schwand und in andächtiger Pose seines Auges Apfel der Brüder Gesellschaft suchte.

Ach, wie warm wurd ihm da ums Herz, wie selig erleuchtete sein Haupt sogleich und hätt ihn ein anderer, gefälliger Gedanke nicht errettet -
er stünde wohl heute noch dort, lächelnd, immerfort ...

So aber, mit scharfem Augenmaße der Mauer Hürde schnell bestimmt, überwand Homunkulus der Barriere natürlich Form, schwenkte in Freudentaumeltrunkenheit Melone und gesprenkelt Taschentuche, tanzte, jauchzte und besann sich im Schatten einer würdig gewachsen Buche.

Des weißgetünchten Steinehaufens Sinn nicht ganz erschlossen, dachte er wohl folgendes:

' oh süße Heiterkeit des Lebens
die hierzu wohl in voller Rebe steht;
ich nahte dir,
der Suchende dem Prophet,
an deiner Blüte Frucht ich Trage,
doch naht sich mir gar eine Frage,
warum hock ich, allein geboren,
als wäre euer Zauber nur mir allein erchoren; '


Homunkulus, der gerne Märchen las
Und das des Riesen, das des Gartens nicht vergaß
Erschauerte bei selbigem Gedanken
Erkannt Mauern nun als Schranken
Erzitterte im Erfahren der Wut
Griff einen Stein, wohl auch den Hut
Und riss die ganze Mauer ein
Apfelbaum und Mensch sollten Freunde sein
Und dachte er erst wohl an die Kinder
Mit Wunden an den Knien
Vom Bauherren Aspahltspleen
So danke man, Selbiger war nicht zugegen
[Homunkulus schon]

Der Schabernack, er blieb nicht unerhört
Die Menschen nahten, die Menschen fühlten sich gestört
Und
Äpfel, was sind Äpfel schon
Heut sitzt jeder Mensch auf eignem Thron
Doch das Terror sich gebärde
Auch in nachbarschaftlich Herde
Das ist zuviel, das muss nicht sein
Man beordert die Polizei, sie naht, sie sperrt Homunkulus ein

Da sitzt er nun in seiner Zelle
Ahnt, das Glück - es kommt und geht
Doch der Duft der Apfelbäume
Wird aus seinem Herzen wohl niemals verweht